»Öko-Leninismus«: Reformismus der großen Schritte

Rezension zu Andreas Malm »Klima|x«

 

Unter dem Schlagwort des »Öko-Leninismus« diskutiert die Klimabewegung aktuell über die Strategieüberlegungen des schwedischen Humanökologen Andreas Malm. In den ersten zwei Dritteln seines Buchs »Klima|x« untersucht Malm den Zusammenhang zwischen der Entstehung von Pandemien und der des Klimawandels. In teils schwer verständlicher Wissenschaftssprache arbeitet er dabei den Kapitalismus als die Ursache für beide Symptome heraus und legt nahe, was droht, wenn der chronischen Notlage kein sofortiger Einhalt geboten wird: Das Ende eines für Menschen bewohnbaren Planeten.

Keine Zeit mehr für Revolution

Weil die Zeit drängt und die Not groß ist argumentiert Malm dafür, dass es eine durchsetzungsfähige Planungsinstanz braucht. Im Rahmen eines »Kriegskommunismus« müsste das fossile Kapital enteignet und zu einer Industrie umgebaut werden, die CO2 aus der Luft filtert. Diese Instanz sieht der Autor im bürgerlichen Staat, weshalb er anarchistische Strategien, die in der Abschaffung des Staates die Lösung sehen, als ineffektiv verwirft. Auch die revisionistische Sozialdemokratie (nicht krisentauglich) wie auch linke Forderungen, die nur auf soziale Abfederung der Krisensymptome zielt, seien nicht zielführend. Zugleich hat er Sympathien für die vielen neuen sozialdemokratischen Wahl- und Regierungsprojekte von Corbyn, Sanders bis hin zu Lula. Da es keine starke revolutionäre Linke gibt, die den bürgerlichen Staat zerschlagen und einen neuen (rätedemokratischen) Staat aufbauen könnten, verwirft er auch diesen Ansatz.

Die große Leerstelle: Wer soll das tun?

Und weil sich Malm damit auch des revolutionären Marxismus entledigt, klafft eine riesige Leerstelle in seinem strategischen Ansatz: Wer sollte den bürgerlichen Staat dazu bewegen zum »Kriegskommunismus« überzugehen und den Kapitalismus ökologisch umzubauen? Oder noch grundsätzlicher: Ist das überhaupt möglich, geht die theoretische »relative Autonomie« des Staats in der Realität überhaupt soweit, dass dies möglich wäre? Oder handelt es sich dabei nicht um eine allzu voluntaristische Betrachtung des Staats, die Kräfteverhältnis-Ansätze im Anschluss an Gramsci oder Poulantzas idealistisch überinterpretiert? Dabei ignoriert Malm, dass die Grenzen staatlicher Autonomie dort verlaufen, wo die Kapitalakkumulation grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die Geschichte aller linker Bewegungen zeigt, dass sobald der bürgerliche Staat die Eigentumsverhältnisse gefährdet sieht, gewalttätig mit Polizei, Geheimdiensten oder Militär reagiert.

Es gibt keine Alternative zum Aufbau von Klassenmacht

Hier überzeugt Malms Strategievorschlag im doppelten Sinne nicht: Auch wenn der bürgerliche Staat als Überbau-Phänomen nicht die Ursache des Notstandes ist, so kann er doch nicht das Mittel sein, um den nötigen Umbau durchzusetzen. Auch in Not und unter Zeitdruck gibt es leider keine Abkürzung: An der revolutionären Überwindung des Kapitalismus führt kein Weg vorbei, weshalb es auch für die Klimabewegung zentral ist, sich am Aufbau organisierter Klassenmacht zu beteiligen statt sich der Hoffnung auf reformistische Illusionen hinzugeben. Andreas Malms »Öko-Leninismus« bietet dafür leider nur wenig Ansatzpunkte.